Montag, 27. August 2012

Dharavi - Recycling als Superlative

Am Samstag sind Marie und ich nach Dharavi gefahren. Dharavi ist nach einigen Quellen der größte Slum Asiens. Hier wohnen und arbeiten ca. 1-1 1/2 Milionen Menschen auf nicht mal 2km² Fläche.
Zur Geschichte: Mumbai bestand bis in das 17. Jahrhundert noch aus vielen kleinen Inseln und galt als Langune. Erst die Landbeschaffungsmaßnahmen die bis 1862 anhielten und auch danach bis ins 20. Jahrhundert noch in mehreren kleinen Etappen beendet wurden, machten aus der ehemaligen Langune eine große Landzunge. Der Stadtteil Mahim, in welchem auch Dharavi liegt, war damals der Bezirk für die Fischerfamilien. Nach dem Zusammenschluss der Inseln, lag Dharavi am Stadtrand von Bombay. 


Datei:Seven Islands of Bombay en.svg

Bis Heute ist die Stadt so gewachsen, dass Dharavi mitten in der Megacity liegt. Genau aus diesem Grund gibt es viele Investoren die mit Dharavi arbeiten bzw. arbeiten möchten. Hier stehen wie immer finanzielle Gründe vor den Wünschen der Bevölkerung. Eine Kollision der Meinungen ist vorprogrammiert. 

Nun zu unserem Auflug. Was erwartet einen im größten Slums Asiens? Westliche Klischees und Bilder über die Verschmutzung dort, sowie die in Indien sehr präsente Armut bilden sich schnell in unseren Köpfen. Also: Kriminalität? Armut? Hunger? Tod?
Nichts der Gleichen.
Wir haben eine Tour gebucht. Marie hatte sich schon in den letzten Wochen intensiv mit diesem Stadtteil beschäftigt, hat Artikel und Bücher gelesen und einen Kontakt zu authentischen Führungen gefunden. 500Rupien (7,50€) für 2 1/2 Stunden Führung mit historischen Details und persönlichen Anekdoten war es uns wert.
Die Treppe von der Railway Station aus führt direkt auf die Haupteinkaufsstraße Dharavis. Überall normale Inder, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Familien, Kinder. Was mir als erstes positiv auffällt: Kaum Hochhäuser. Die Hütten aus Wellblech und weiteren Provisorien sind maximal zweistöckig. Mehr frische Luft, irgendwie. Zweiter Eindruck: Hier ist es garnicht anders als in anderen Stadtteilen. Ein kleines Dorf in Mitten der riesen Stadt. Autark in jeglicher Hinsicht.
Die Tour begann im Industrieviertel. Recycling pur, wo man hinsieht. Natürlich: PET Flachen, alte Plastikstühle, die schon bessere Tage gesehen haben, Regenschirme, Plastikgeschirr, Mülltüten und was man sich alles aus Plastik vorstellen kann. Hier wird alles im ersten Schritt von Arbeiterinnen nach Farben sortiert, danach von Männern in 366 (alles Handarbeit) verschiedene Qualitäten sortiert und zerkleinert. Die Plastikschnipsel werden gründlich in Tonnen gewaschen und kommen dann in den Schmelztiegel. Jeder dieser Schritte passiert in einer anderen "Fabrik". Zwei Hütten weiter werden dann Plastikpallets hergestellt, die wiederum als Wertstoff verkauft werden. Die Messer, die zum Zerkleinern der Plastikflaschen gebraucht werden, werden in der Hütte gegenüber gefertigt. In einer 3 x 3 Meter Hütte sind zwei Schmelztiegel in die Erde eingelassen, heraus kommen fertige Aluminiumbarren. Eine Gasse weiter werden Pflanzenölkanister aus der ganzen Stadt gewaschen. Aus dem restlichen Öl in den 10l-Kanistern werden vom Nachbarn drei verschiedene Sorten Seife hergestellt. 
Auch die Stoffindustrie hat einen festen Sitz in Dharavi. Somit wurde uns in eine Stoffdruckerei der Einblick gewährt. Hier stehen 6 Männer an großen Tischen, die mit einem großen Holzstempel mit flüssigem Wachs Muster auf weiße Stoffbahnen drucken. Im Zweiten Schritt kommen die bahnen in Farbfässer, das Wachsmuster bleibt weiß. Sie produzieren gerade Musterstoffe für einen Großhändler. Die Muster werden zum Händelr geschickt, erst danach erfolgt der Auftrag. Die Stoffbahnen werden später für 3500Rupien ( ca. 50 Euro) verkauft. In der nächsten Hütte, in der zweiten Etage, knüpfen ein Dutzend Jungen Pailetten und Perlen auf Saris. Alle zwischen 6 und 12 Jahre alt. Sie haben noch "soft and small hands".
In dem Wohngebiet in Dharavi sieht es düster aus. Es dringt kein Tageslicht in die engen Gassen. Ich kann behaupten dass ich mit 10 Kilo mehr auf den Rippen nicht durch die verwinkelten Gänge hätte gehen können. Es ist dunkel, riecht nach Fäkalien und wir sind froh, als wir wieder das Tageslicht erblicken. Bemerkenswert hier: Bei einem Blick links und rechts in die Hütten, die nur mit einem Tuch zur Gasse begrenzt sind, fällt auf, dass nicht selten Flachbildfernsehr und weitere nicht günstige Elektrogeräte zu sehen sind. 
Dharavi hat nur 5 Stunden fließend Wasser am Tag, weshalb die Bewohner sich Wasservorräte in großen, ehemealigen Chemiefässern anlegen. Es gibt ca. 23 Hindutempel, 20 Moscheen und ein halbes Dutzend Kirchen, 30 Grundschulen und 12 Weiterführende.
Die Miete für eine 9m² Hütte stehen bei 4000 - 5000 Rupien (keine Hundert Euro) im Monat. Hier leben die Ärmsten der Armen mit Millionären und sogar Milliardären Haus an Haus.

Fazit:
Ein autarkes Dorf in einer Millionenstadt, für mein Empfinden weniger Verkehr = heißt weniger Lautstärke = heißt Urlaub für meine Öhrchen. Nette und herzliche Menschen (wir wurden 2 mal zum Essen eingeladen).
Und aus einem mysteriösen Grund haben Marie und ich sogar etwas Farbe bekommen. Die Smog-Schicht schien an diesem Tag nicht so dick gewesen zu sein. Ich bin mehr als positiv überrascht und werde in naher Zukunft wieder hinfahren. Hoffentlich bei ähnlich gutem Wetter.

Mir fällt bestimmt noch was ein was ich vergessen habe... kommt dann einfach beim nächsten Mal.

Tschö.






Dienstag, 21. August 2012

Noch mehr Feiertage

Achja.
letzte Woche waren übrigens noch Nationalfeiertag und Ende des Ramadan.
Langsam gehen mir sie Feiertage auf den Keks.

Kennst du Kino?

Kino in Indien ist nicht nur eine Erfahrung wert. Soviel steht fest.
nach nun fast 6 Wochen in Indien habe ich schon fünf Kinofilme gesehen.
Cocktail, Superkool, Ek tha Tiger, Jism und Batman Rises. Alle, außer Batman, sind indische Produktionen.

Man geht also zum Kino, wenn es keine Karten mehr an der Kasse gibt, kauft man welche auf nem Schwarzmarkt für 50 Rupien (80 cent) mehr. Alle ströhmen in den Kinosaal, das Licht wird gedimmt.
Das erste was passiert: das Publikum steht auf und singt in der Gemeinschaft die Indische Nationalhymne, passend zu der computeranimierten Indischenflagge die auf der Leinwand im Wind weht.Danach folgt ein Spot - der Film beginnt.
Bei Partyszenen im Film dreht das Publikum richtig auf. Alle rufen, pfeiffen und feuern die Protagonisten in der Szene an. Taucht der Bösewicht in der Szene auf wird laut gebuht. Besonders die "Sex-Szene", in der man maximal einen nackten Frauenrücken und einen angedeuteten Kuss sieht, brodelt die Stimmung.
Die ganze Zeit ist es im Kinosaal laut. Handys klingel, es wird also auch telefoniert (während des Films), Chipstüten knistern, Unterhaltungen werden geführt.
Im Vergleich zu deutschem Kino ist das schon spektakulär.

Besonders der besuch im Film "Jism" wird mir lange im Gedächtnis bleiben.
Er wurde auch großen Postern mit einer nackten Frau unter einem fast durchsichtigen Laken angepriesen. Da mussten wir auf jeden Fall rein! Den Trailer hatten wir auch schon gesehen, schien spannend.

Plot: Ein Killer wird von einem Privatdetektiv gesucht und nutzt die Attraktivität einer jungen Frau als Köder. Beide Männer verlieben sich in sie. Alle sterben.

Wir 4 Mädels sind also ins Kino. In dem großen Kinosaal (ca. 200 Plätze) waren wir die einzigen Frauen und natürlich die einzigen Weißen. Dementsprechend war die Aufmerksamkeit groß. selbst während des Films wurde ich von schräg rechts die ganze Zeit angestarrt. Wir haben uns viel von dem Film versprochen, Trailer war gut, Poster war gut. Film war scheiße. Das bisschen Haut, was sie 196 Männer in diesen "Erotikthriller"(ungelogen!) zog, waren schon im Trailer zu sehen. Wie gesagt: ein nackter Rücken und 4 Küsse während des ganzen Films waren das höchste der Gefühle. Naja. Uns solls egal sein. In der Pause (in den Kinos gibts immer Pause, da die indischen Produktionen meist ca. 3 Stunden gehen) beugte sich dann ein Inder zu mir rüber: "You like this Movie?? Its very hot, ha?" dabei zog er kokett seine Augenbrauen hoch. IGITT

-> Eindeutig zu viel Trubel um den Film.


Ganz witzig ist noch, dass egal aus was dür einem Genre der Film kommt, es mindesten 2 Sing&Tanz Einschübe gibt (Bollywoodstyle). Egal ob Komödie, Erotikthriller oder Actionfilm, irgendwas gibt es immer zu besingen.


That's it.

Sonntag, 12. August 2012

Happy Krishna Janmashtami!

Vorgestern war schon wieder Feiertag.
Was gefeiert wurde?  - Die Geburts Krishnas.
Krishna ist einer der wichtigsten Götter im Hinduismus.
Über die Umstände seiner Geburt berichtet das Bhagavata-Purana. Demnach wird Krishna kurz nach seiner Geburt vor dem König Kamsa, der dem Knaben nach dem Leben trachtet, in Sicherheit gebracht. Kamsa war geweissagt worden, dass der achte Sohn seiner Schwester Devaki und ihrem Mann Vasudeva ihn töten werde. Er hält darum die Eltern im Palastkerker gefangen und tötet die ersten sechs Kinder Devakis. Das siebente wird durch Wunderkräfte in den Leib einer anderen Frau transferiert und wächst später als älterer Bruder Krishnas zusammen mit diesem auf. Der achte Sohn, Krishna, wird geboren und in einer vorübergehenden Vision können die Eltern ihn in seiner kosmischen Form mit vier Händen sehen. Seine Wunderkräfte äußern sich darin, dass die Wärter einschlafen, die Kerkerketten zerspringen und die Türen aufgehen. Der Vater Vasudeva flieht mit dem Neugeborenen und bringt ihn zu Pflegeeltern ins Dorf Vrindavan im heutigen indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Der König lässt daraufhin alle Neugeborenen töten, um ganz sicher dieses Kind zu vernichten. Doch Krishna überlebt und wächst unter Kuhhirten auf.
Als Erwachsener kehrt er an den Ort seiner Geburt nach Mathura im heutigen indischen Bundesstaat Uttar Pradesh zurück. Er tötet Kamsa und gibt den Thron an den rechtmäßigen König zurück. Das Mahabharata berichtet, dass er König von Dwarka gewesen sei, heute im indischen Bundesstaat Gujarat.

Krishna


Genug zur Geschichte.
Nun: Umsetzung und Feierei in Mumbai.

Michelle und ich sind vorgestern Mittag nach Dadar (Stadtteil von Mumbai) gefahren um dort etwas vom Fest mitzukriegen. Traditionsgemäß versuchen nämlich größere Gruppen von Hindus  mit Hilfe einer Menschenpyramide einen in der Höhe angebrachten Tontopf (den Dahi-Handi), gefüllt mit Milch, zu zerschlagen. Hintergrund:  In seiner Kindheit soll Krishna, der ja laut Mythos in einer Hirtengemeinschaft aufgewachsen war, mit seinen Freunden gelegentlich aus dem hoch oben hängenden Topf bei den Nachbarn Butter oder den süßen Rahm genascht haben. Das wiederholen die Buben in einem traditionellen Spiel, besonders in Maharashtra. Unter dem ständigen Ruf „Govinda! Govinda!“ (ein Name für Krishna) bilden die Jungen eine menschliche Pyramide, um den Topf zu erreichen und zerschlagen ihn zum Vergnügen des Publikums.


 Überall auf den verschiedenen Straßen und in den Gassen kann man diese Tontöpfe in der Höhe hängen sehen. Es laufen viele Gruppen rum, wie hier in gelb gekleidet, die als Team den Topf zerschlagen und dann zum nächsten ziehen. Außerdem gibt es viel Musik auf den Straßen.








Mittwoch, 8. August 2012

Studentenleben

Nun bin ich schon fast 4 Wochen in Indien. Alleine 3 davon wohne ich schon auf dem Kalina Campus in unserer WG. Es haben komischerweise immernoch nicht alle Kurse angefangen oder die "TimeTables" sind einfach noch nicht draußen.
Bis jetzt habe ich nur 2 Kurse. Ich habe im Sociology Departement "Gender&Society" und im Hindi Departement "Hindi" belegt. Der Hindikurs wurde extra für uns organisiert, sodass wir quasi Privatunterricht haben. Gestern hatten wir die erste, ziemlich ernüchternde Stunde. Unserer Lehrerin war unvorbereitet und wusste wohl nicht ganz was wir jetzt von ihr wollten. Sie fing damit an, uns englische Sätze auf Hindi zu übersetzen und sie in Lautsprache an die Tafel zu kritzeln. Alle hatten keine Ahnung von Nichts und schrieben fleißig die Zeilen ab. Lediglich Marie hat uns zwischendurch auf die Sprünge geholfen. Wir hoffen dass es in den nächsten Stunden besser von statten geht und sie auf Wünsche unsererseits eingeht.

"Gender&Society" ist auch eine Erfahrung wert. Wir sitzen meist mit 6-7 Studenten zusammen und diskutieren über die Rollen von Mann und Frau (zumindest in der letzten Stunde). Was die Professorin da von sich gelassen hat, war mir persönlich etwas zu krass. Kleingeistig, perspektivlos, klischeehaft, stereotypisch, NAIV. Hat sie doch tatsächlich davon gesprochen, dass sich Männer und Frauen davon unterscheiden (abgesehen von den anatomischen Unterschieden), dass Männer egoistisch und Frauen emotional sind. Alle Studentinnen stimmten ihr nickend zu. Ich schaue rüber zu Michelle und kann es nicht fassen. Bin ich hier richtig? University of Mumbai? Weltstadt? Ich traue meinen Ohren nicht und bin erschüttert. Für Widerworte fehlt mir momentan aber noch der Mut. Ich schlucke und bin entsetzt.
Ich bin gespannt ob es in den nächsten Stunden so weitergeht.

Nächste Woche fängt höchstwahrscheinlich ein Yoga-Workshop an, bei dem wir uns angemeldet haben. 4 Wochen geht er mit je 3 Terminen pro Woche. Außerdem interessiere ich mich für Buddhist Studies und Shakrism, wo jedoch die Uhrzeiten und Wochentage noch nicht feststehen.

Donnerstag, 2. August 2012

Happy Raksha Bandhan!

Die Feiertage und Festlichkeiten treten hier in Indien zuhauf auf. Fast alle 2 Wochen gibt es irgendein wichtiges (manchmal auch unwichtges) Event was groß gefeiert wird.
Heute ist es "Raksha Bandhan".
Raksha Bandhan ist ein hinduistisches Fest bzw. eine Zeremonie in der die Bindung zwischen Geschwistern gefeiert wird. Das Fest findet immer an einem Vollmonstag im Monat Shranvana statt, dies ist nach dem westlichen Kalender meistens Anfang August. So knüpfen Frauen und Mädchen ihrem Bruder rituell ein gesegnetes Band, ein Rakhi, um das Handgelenk. Mit diesem meist dekorativen Baumwoll- oder Seidenband, das vorher einige Zeit auf dem Hausaltar liegt, drückt sie schwesterliche Liebe sowie ihren Segen aus. Sie tupft ihm dabei einen Segenspunkt auf die Stirn und schwenkt segnend ein Öllicht vor ihm. Er dagegen überreicht ihr ein kleines Geschenk und verspricht ihr seinen Beistand im Leben. Ist der Bruder fern, etwa in einer anderen Stadt, erhält er sein Rakhi mit Segenswünschen per Post.
Die Bänder können aber nicht nur an Brüder, sondern auch an gute (männliche) Freunde verschenkt werden. Diese Verbindung macht sie dann zu Rakhi-Brüdern und Rakhi-Schwestern. Das Rakhi (also das Armband) soll nicht nur vor körperlichem Unheil bewahren, sondern auch vor Krankheit und Sünde. Außerdem steht es für Reinheit, welches dadurch eine romantische oder gar erotische Beziehung ausschließt. Dies veranlasst Frauen dazu, guten Freunden, denen sie zeigen wollen dass sie nicht weiter interessiert sind, einem Freund ein Rakhi-Band zu schenken. Jeder weiß woran er ist.